Eine Verkehrsinsel..
Grau wie der Asphalt auf dem wir fast unser Leben verloren haben.
Eine Geschichte von Angst, Mut und Rettung – erzählt von einem kleinen, grauen , zauberhaften Flauscheball.
Ich bin klein.
Ich bin grau. Grau wie die Straße, auf der ich beinahe mein Leben verloren hätte. Grau wie der Asphalt, der so warm unter meinen Pfoten war – aber laut, schnell und tödlich. Viel zu schnell für kleine Beine wie meine.
Ich hatte keine Ahnung, wie gefährlich es war. Ich dachte, das hier ist normal.
Die Autos. Das Brummen. Das Zittern des Bodens, wenn wieder ein Bus vorbeiraste.
Aber ich wusste: Mama ist da. Und wo Mama ist, ist es sicher. Dachte ich.
Mama ist wunderschön. Groß, schneeweiß, flauschig.
Meine drei Geschwister – weiß wie Mama – kuschelten sich eng an sie und ich… ich, das graue Kitten, das ein bisschen wie der Straßenstaub aussah, war trotzdem eins von ihnen.
Wir waren eine Familie.
Unser Zuhause war kein Zuhause.
Eine Verkehrsinsel mitten in der Stadt.
Umgeben von rasenden Autos, lauten Stimmen, Beton und Angst.
Unter einem dichten Teppich aus Bodendeckern hatten wir uns ein Labyrinth gebaut. Kleine Gänge. Verstecke.
Dort war es ruhig. Sicher. Wenigstens für einen Moment.
Doch wir hatten Hunger.
So viel Hunger. Und Durst.
Und wenn es etwas stiller wurde, wagten wir uns näher an den Straßenrand.
Das Licht war interessant. Der Asphalt war warm.
Und wir waren… einfach zu klein, um zu wissen, was Gefahr ist.
Dann, an einem dieser lauten, unruhigen Tage, verschwand Mama.
Einfach so.
Sie kam nicht wieder.
Wir haben geweint. Miaut. Gewartet.
Aber sie blieb verschwunden.
Was wir nicht wussten:
Sie wurde gerettet.
Ein Mensch hatte sie vorsichtig eingefangen. Mit Futter, Geduld und Liebe.
Sie war jetzt in Sicherheit – und wartete dort auf uns.
Und auch wir wurden nicht vergessen.
Von da an – von Montagmorgen bis Freitagabend – waren sie da.
Die Menschen.
Sie kamen zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Sie saßen im Auto. Auf dem Boden. Im Regen. Ohne Regenschirm, die Blödis.
In der Stille.
Sie beobachteten. Hörten. Hofften.
Sie redeten leise.
Und sie gaben nicht auf.
Am zweiten Tag fingen sie mein erstes Geschwisterchen.
Am dritten Tag beobachtete ich alles als Heckengespenst aus sicherer Entfernung und war mucksmäuschenstill.
Am vierten Tag entdeckten sie zwei weitere meiner Geschwister in einer anderen Hecke.
Eines von ihnen biss mit seinen mini scharfen Vampirzähnen kräftig zu, weil es solche Panik hatte.
Aber auch sie wurden eingefangen.
Gerettet. Das wusste ich da aber noch nicht..
Und ich?
Ich war das Letzte.
Ganz allein.
Ich roch sie noch – meine Geschwister. Ich hörte sie manchmal, ganz weit weg.
Und ich hörte auch Mama.
Oder besser gesagt: Ich hörte ihre Stimme – aus einem kleinen Gerät, das die Menschen dabei hatten.
Sie spielten ihre Rufe ab. Immer wieder.
Und jedes Mal zitterte mein Herz.
Aber ich konnte nicht. Ich hatte solche Angst. Ich war so hungrig.
Und alles war so laut.
Und dann… heute – am fünften Tag – war da plötzlich dieser Geruch.
Stinkige Forelle.
Ich schlich mich ganz nah heran.
Ich wollte nur kurz probieren. Nur einmal.
Klick.
Die Falle schnappte zu.
Ich war gefangen.
Ich zitterte. Ich wollte schreien. Ich hatte Todesangst.
Aber dann – diese Stimmen.
„Du hast es geschafft.“
„Du bist sicher.“
Sie trugen mich vorsichtig in eine ungewisse Zukunft.
Und dann…
Mama.
Sie war da.
Meine Geschwister waren da und wir waren endlich wieder zusammen.
Ich kuschle mich jetzt an sie.
Ich höre ihr Schnurren. Ich spüre ihre Wärme.
Und ich weiß: Ich bin endlich angekommen.
Fünf Tage. Vier Kitten. Eine Mama. Geschmolzene Milchshakes.
So viele Menschen haben uns das Leben gerettet.
Sie haben im Auto geschlafen. Pudelnass dumm aus der Wäsche geguckt im Regen. Geplant, gehofft, gezittert.
Sie haben ihre Kraft, ihre Zeit, ihre Herzen gegeben.
Sie waren immer da.
Ein riesiges, miauwarmes Dankeschön an:
Nicole
Jenny (K)
Jenni
Kimberly
Herr Tepper
Imke
Claudia
Birgit
Julia
Kevin
Jessica
Naomie
Yvonne
Jessica
Constanze
Marvin, Verena & Theo
Jenny (B)
Und an alle, die mit am Handy saßen, Mut gemacht, mitgefiebert und die Hoffnung nie aufgegeben haben.
Ihr habt nicht nur eine Katzenfamilie gerettet.
Ihr habt unsere ganze Welt gerettet.
Ich flausch euch – Ghost